Dienstag, 12. Januar 2010

Die Fahrt

Halb 8, viel zu früh für diesen Morgen. Melanie konnte sich was Schöneres vorstellen, als am Morgen eine stickige und überfüllte S-Bahn mit vielen anderen Pendlern teilen zu müssen. Ein ausgiebiges gemütliches Frühstück mit ihrer besten Freundin aus Mainz wäre ihr lieber gewesen.

Jetzt kam wenigstens das tägliche Highlight der Bahnfahrt. Einen kurzen Teil der Strecke wagte sich die Bahn nach oben, raus aus dem Tunnel ans Tageslicht. Melanie schaute aus dem Fenster. Geheimnisvolle Nebelschwaden hingen über den Äckern. Langsam veränderten sie sich. Aus dem Nebel galoppierte eine Herde wilder Schimmel heraus. Sie kamen immer näher. Melanie lächelte. Eine Zeitlang galoppierten sie neben der S-Bahn, dann entfernte sich die Herde wieder. Die Landschaft veränderte sich. Es wurde hell, warm und lila. Sie stand mitten in einem Lavendelfeld, spürte die Sonne, den Wind und atmete tief den süßen Lavendelduft ein.
Plötzlich knackste es hinter ihr. Sie zuckte zusammen und riß erschrocken die Augen auf.


"Krrrrrk! Nächster Halt..."

Melanie seufzte. Sie stand von ihrem Platz auf, ging zur Tür, wartete, bis der Zug anhielt und stieg aus. Für heute Abend nahm sie sich vor, nochmals ins Reformhaus zu gehen. Dort hatte sie vor ein paar Tagen Lavendelsäckchen gesehen. Heute Abend würde sie sich eins davon kaufen - für die nächste Bahnfahrt.


Bild: pixelio.de/seedo

Sonntag, 10. Januar 2010

Büroluft

Elf Uhr vierunddreißig... die Zeit verging genauso langsam, wie die ersten 3 Worte dieses Textes.
Sie saß an ihrem Schreibtisch und schaute auf die Uhr... noch sooo lange, würde sie es durchhalten?

Die Luft im Büro brachte sie fast zum Einschlafen. Kein Fenster weit und breit, das geöffnet wurde. Keine Frischluftzufuhr. Da sollte man nicht müde werden? Nein, sie würde heute pünktlich gehen, schon allein deshalb, weil sie sonst an Sauerstoffmangel elendig zugrunde gehen würde.

Die stickige Luft wurde gekrönt von 2 oder 3 inzwischen vermischten Parfümkreationen, die einzeln noch ertragbar waren. Aber gemeinsam waren sie eine Gefahr für den menschlichen Geruchssinn.

Warum öffnete denn niemand das Fenster? Aber NIEMAND war heute nicht da, er hatte Urlaub.

Sie hatte es schon versucht. Vergeblich. Sämtliche Frostbeulen des Großraumbüros vereinten sich und bildeten eine plötzliche Heißluftfront, gegen die sie nicht ankam. Die erhitzten Gemüter straften sie mit messerscharfen Blicken. Zwei Tage später startete die erste Grippewelle... Das Büro leerte sich allmählich.

Und nun saß sie in diesem Mief aus Parfüm, angriffslustigen Viren und Bakterien und Staubpartikeln.

Sie sah aus dem Fenster...



Bild: pixelio.de/finro

und träumte sich auf die Bahamas. Das Meer rauschte, eine Kokosnuß fiel von der Palme neben ihrer kleinen Holzhütte. Und draußen rief jemand: "Hey Melanie! Das Wasser ist so herrlich erfrischend. Komm' endlich raus!"

Mit einem Lächeln stand sie auf und schwebte in die Mittagspause. Raus an den Strand - äh, an die frische Luft. Nur noch 3 Stunden! Dann war endlich Feierabend.